Atmodas Straße 19
Das auf den Postkarten abgebildete ehemalige Rathaus der Stadt und das Grundstück haben eine interessante Geschichte.
Hier stand im 18. Jh. der „Rote Krug“ (wahrscheinlich war er rot angestrichen), der Johann Emmerich von Keyserlingk gehörte. Graf Keyserlingk war Gutsherr auf Groß Lahnen (Dižlani), Lexten (Lekši) und Ligutten (Līguti). 1798 übergab er den Krug Lasar Moses und seiner Frau für jährlich 1.100 Taler zur Pacht auf 90 Jahre. Von deren Kindern bekam es Krüger Schlaume, der seinen Roten Krug mit dem Grundstück schon im Jahr 1801 bei Landrat von Fircks verpfändete.
1831 kaufte Simon Hirschmann den Roten Krug für 1.500 Rubel. Er verpfändete ihn 1844 bei seiner Ehefrau und keine zwei Monate später außerdem bei seinem Stiefsohn.
1849 war der Krug fast vollständig verfallen. Da der Besitzer seine Schulden nicht bezahlen konnte, ging er an die Kreditoren. Die führten aber nicht die notwendigen Renovierungen durch und so kam es 1851 zu einer Auktion.
Der Hasenpothsche Gerichtsvogt Friedrich Lange übernahm das Grundstück und verkaufte es schon im Oktober 1852 an Julius Baron Fircks, den Gutsherrn von Kalwen (Kalvene), für 1.400 Rubel. Für diese Summe sollte Lange dem Käufer auch alle auf dem Grundstück vorhandenen Baumaterialien überlassen und außerdem den begonnen Bau des Wirtschaftsgebäudes vollenden.
Am 25. November 1854 verkaufte Fircks sein neu erbautes Haus mit Wirtschaftsgebäude dem Apotheker Carl Lichtenstein (1827-1904) für 8.000 Rubel. Am 21. Mai 1864 wurde zwischen Lichtenstein und der Stadt Hasenpoth ein Vertrag geschlossen. Lichtenstein verkaufte das Haus der Stadt für 10.500 Rubel. Gegen 200 Rubel Miete bekam er auf der rechten Seite des Erdgeschosses seine bisherigen Apothekenräume, auf der linken Seite die Hälfte der Lagerräume, den kleinsten von 3 Holzställen und den mittleren Keller bis Johanni 1865 zur Nutzung.
Aus den Journalen der Stadtkämmerei geht hervor, dass der Rat schon 1863 in Lichtensteins Haus eingezogen war. 1865 wurde der vom Architekten Otto Dietze geplante und geleitete Umbau des Hauses abgeschlossen. Ab dem Jahr 1860, in dem das alte Rathaus zum Abriss verkauft worden war, bis zum Jahr 1863 mietete der Stadtrat Räume für den Magistrat, die Kämmerei und eine Wohnung für die Ratsdiener in dem neu gebauten Haus von Gerichtsvogt Hermann Frey in der heutigen Goldinger Straße 5A.
Der wichtigste Auftrag für den Architekten Dietze war der Ausbau zweier Läden mit Wohnungen und Arresträumen für Frauen und Männer im Erdgeschoss an Stelle von Apotheke und Laden. Es ist aber nicht gelungen, Zeugnisse dafür zu finden, dass es Arresträume in diesem Haus je gegeben hat.
Seit Beginn des Jahres 1865 hat es im Rathaus sowohl eine Turmuhr mit Schlagwerk gegeben, die alle acht Tage aufzuziehen war, als auch eine Acht-Tage-Uhr im Sitzungssaal. Aufziehen, Einstellen, Reinigung und Reparatur der Uhren war Aufgabe des örtlichen Uhrmachers gegen 20 Silberrubel jährlichen Entgelts.
1868 schaffte Bürgermeister Carl Bellmer zum Preis von 26,75 Rubel ein Porträt des Zaren für den Sitzungssaal des Magistrats an.
1898 erhielt das Rathaus einen neuen Balkon.
1919 - im September - stellte die Bauaufsicht der Stadt fest, dass der Balkon total verrottet und absturzgefährdet und deshalb zu demontieren sei. Es wurde empfohlen, einen neuen aus Beton zu bauen.
Am 20. März 1920 wurde auf der Sitzung des Hasenpothschen Stadtrates als Tagesordnungspunkt „Kārlis Ulmanis Besuch der Stadt am 25. März 1920” diskutiert und beschlossen, die erforderliche Reparatur des Balkons auszuführen und „ihn am Tage der Volksversammlung mit Fahnen und Grün zu schmücken,” damit der Ministerpräsident von dort ,,die Rede an die Volksversammlung halten kann.”
Im Sommer 1930 wird für den Sitzungssaal des Stadtrats ein Radioapparat angeschafft und beschlossen, ,, dass die Geräte in der Kanzlei, der Lautsprecher aber auf der Straße oder im Saal aufgestellt werden sollen.“ Auf der Sitzung des Stadtrats im Januar 1931 wird darüber gesprochen, den Besuchern des freien Lesesaals im Rathaus und weiterem Publikum abends das Hören von Radiosendungen zu ermöglichen. In der Sitzung vom 12. Mai wird beschlossen, „die Demonstration der Radiosendungen künftig dienstags, donnerstags und samstags von 08:00 bis 12:00 Uhr, abends… und abweichend davon in Einzelfällen auch auf Anordnung des Stadthauptes zu organisieren.”
Auf der Sitzung vom 28. Mai wird schon berichtet, dass ,,der Angestellte K. Stern in der letzten Zeit zusätzliche Pflichten wie das Putzen im Lesesaal, Beaufsichtigung des Radios und der Uhr nachgehen solle.” Deshalb beschließt der Stadtrat, ihm zusätzlich 10,-Lat monatlich zu zahlen.
Beachtenswert ist ein informativer Brief, der VEF (staatliche Elektrofabrik in Riga) vom 10. November 1933 an die Hasenpothsche Stadtverwaltung:
"Auf Weis[un]g des Bildungsmin.[isteriums] schickt die V.E.F. (VEF) ihren Arb.[eiter] Alberts Jekste (Lettlands Pionier des Radiobaus und Bahnbrecher der Filmkunst(1908-1987), ein Bruder der Schauspielerin Anta Klinta) mit einem Radioempfangsgerät, Verstärker, 2 Lautsprechern und 25x2 mtr Kabel, um das Festprogramm anlässlich des 18. Novembers zu sichern.
Der erw.[ähnte] Arb.[eiter] wird am 17. November d.[iesen]J[ahres] um 17:33 Uhr im Hasenpothschen Bahnhof eintreffen.
…wir bitten schon rechtzeitig an einem von Ihnen gewähltem Ort, eine Antenne mit Erdung aufzustellen und die Anlage mit einem Stromanschluss zu versorgen, denn unser Mann wird dafür zu wenig Zeit haben."
Wo und wer sich diese Radiosendung zur Feier des 15. Jahrestags der Republik Lettland angehört hat, ist nicht bekannt.
Was die im Erdgeschoss des Rathauses eingerichteten Handelsräume betrifft, so wurden sie erfolgreich vermietet und brachten gute Einnahmen in die Stadtkasse.
Im 19. Jh. war in einem der Läden viele Jahre lang das Kurzwarengeschäft des Müllers Christoph Neumann, in dem auch Mehl aus seiner Vier-Gang-Mühle verkauft wurde und im anderen die Bäckerei von Johann Rosenbach.
1901 vermietete die Stadtverwaltung ein möbliertes Zimmer mit Beleuchtung, Heizung und Bedienung für 350 Rubel Jahresmiete vom 1. Januar 1901 bis zum 1. Januar 1907 an die Steuerverwaltung, sowie auch 4 Räume mit Laden, Küche, Bäckerei, Brennholzschuppen, einen Teil des Getreidespeichers und den Kuhstall an Abraham Sussmanowitsch für 200 Rubel Jahresmiete. Dieser Vertrag wurde 1903 um weitere 2 Jahre verlängert. Am gleichen Tag wurden 2 Zimmer mit Laden, Küche, Brennholzschuppen und ein Teil des Getreidelagerraums an Christoph Neumann für 150 Rubel jährlich vermietet. Und auch dieser Vertrag wurde 1903 um weitere 2 Jahre verlängert. Neumann soll in seinem Laden Mehl verkauft haben.
In den Jahren des Ersten Weltkrieges seien hier immerhin noch die Bäckerei von Abraham Sussmanowitsch und der Kramladen von Hanne Friedberg gewesen.
1920 beschloss die Stadtverwaltung „Die Räume im Erdgeschoss des Hauses Große Straße 19, die vorher die ,,Kinder-Volksküche” eingenommen hatte, an das Kooperativ des Kreises zu vermieten. Die drei Zimmer und der Backraum mit dem Backofen sollten als Bäckerei eingerichtet und genutzt werden. Außerdem gehörten zu diesen Räumen auch noch ein Keller (unter dem Fußboden dieser Räume), 1 Speicher im Hofe im ersten Stock und 1 Scheune für Brennholz.”
Das Kooperativ des Kreises war hier Mieter bis 1932. Räume für Bäckerei und Teestube seien auch an das Hasenpother Arbeiterkooperativ vermietet gewesen.
In den 1920er Jahren waren hier auch Fricis Lagzdiņš’ Manufaktur und ein Geschäft für Damenkonfektion.
Anfang der 1920er war hier Theodor Kronbergs Buchhandlung und Schreibwarengeschäft. Von 1925 bis 1934 war es die Buchhandlung und das Schreibwarengeschäft der Gewerkschaft der Lehrer im Hasenpothschen Kreis.
In den 1930ern mieteten die Räume:Victor Götz für seine Konditorei und Bäckerei, Ernests Rimma für sein Manufaktur- und Galanteriewarengeschäft und Ivan Ulanov für seinen Geschirrladen.
Am 6. April 1936 gründete die Stadt das Heimatmuseum und teilte ihm zwei Räume in ihrem Haus zu. Das Museum wurde vom Gymnasiallehrer und Künstler Jānis Audriņš eingerichtet und geleitet. Die feierliche Eröffnung des Museums erfolgt am 1. November 1936.
Schon im April wurde unter den Einwohnern der Stadt und des Kreises folgende Aufforderung bekannt gemacht:
,,Damit das Museum die Vergangenheit unseres Kreises und unserer Stadt tatsächlich allseitig widerspiegeln kann, bitten wir alle Einwohner der Stadt und des Kreises, Personen der Administrative, Schutzmänner, Lehrer, Angestellte, Kaufleute, Ackerbauern, Arbeiter, Schuljugend, Leiter des gesellschaftlichen Lebens, kirchliche Organisationen, Vereine und jeden einzelnen Bürger, Gegenstände von historischem Wert für das Museum zu spenden oder sie für Ausstellungen (Depot) zu übergeben.”
In den weiteren 12 Punkten wurde erklärt, was das Museum wirklich interessiert. So wurden bis Ende 1936 dem Museum 884 Gegenstände gespendet. 25 davon wurden ausgestellt. Die Öffnungszeit des Museums war sonntags von 12:00 bis 14:00 Uhr.
Aus Raummangel wurde 1938 beschlossen, das Museum ins alte Schloss zu verlegen. Dafür wurde eine Unterstützung durch die Kulturstiftung erbeten und auch in Anspruch genommen. Am 13. Juni 1938 besuchten folgende Persönlichkeiten die Stadt Hasenpoth:
Prof. Francis Balodis, Leiter der Denkmalschutzbehörde,
Prof. Boriss Vipers, Kunsthistoriker,
Prof. Pauls Kundziņš, Vorsitzender des Fonds für Monumentalbauten,
Ludolfs Liberts, Maler und Direktor der Staatsdruckerei,
Pēteris Ārends, Oberinspektor der Denkmalsverwaltung im Bildungsministerium, um sich mit dem Museum, der Stadt und dem Ordensschloss vertraut zu machen.
Im Jahr 1939 zog das Museum in Räume des historischen, livländischen Ordensschlosses um.
Atmodas iela 19 ist heute die Adresse der Hasenpother Kunstschule.